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Einführung von Sabine Adler

„Maler sprechen durch Farbe. Nicht durch Worte.“
– Hans Hofmann (1880 – 1966)

Die drei Künstler*Innen, die als Teil der Ausstellung „BILD-sprachen“ ihre Werke im Germersheimer Kunstverein präsentieren, haben eines gemeinsam: sie nutzen Malerei und Grafik als bevorzugte Mittel, um auszudrücken, was der Moment des kreativen Schaffens hervorgebracht hat. Die Bilder erzählen Geschichten, fangen Stimmungen ein und lassen den Gefühlen freien Lauf. Farben und Konturen zerfließen, bilden Übergänge und Verläufe oder stehen isoliert für sich. In jedem Bild spiegelt sich die Person, die es erschaffen hat. Und dennoch bleibt genug Raum für die Betrachtenden, um in eigenen Gedanken zu versinken, in Erinnerungen zu schwelgen und in die Energie der Werke einzutauchen. Jedes Gemälde sendet seine eigene Botschaft und spricht eine ganz persönliche Sprache, die fasziniert und unsere Fantasie beflügelt. Lassen Sie uns also gemeinsam Innehalten vor Bildern, die die Freude an der Malerei übertragen.


Esther Naused

Die minimalistisch anmutenden, kleinformatigen Arbeiten von Esther Naused konzentrieren sich sowohl durch die Auswahl der Farbtöne, als auch durch die klaren, durchdringenden Kompositionen, auf das Wesentliche. Die Künstlerin verzichtet bewusst auf alles Überflüssige und stellt dadurch die wohl durchdachten Strukturen und Muster Ihrer Arbeiten in den Fokus. Trotz der Ungegenständlichkeit des Dargestellten wirken die Motive vertraut und die Atmosphäre bekannt. Wie Spiegelungen auf Wasser-oberflächen oder Objekte in der Abenddämmerung wirken die Formen, die sich durch Überlagerungen, Durchdringungen und Farbgradienten nicht klar verorten lassen. Vielleicht sind es Landschaften, womöglich Erinnerungen an Räume oder Gebäude – mal organisch anmutend und mal von präziser Schärfe und in akkurater Struktur. Immer besitzen Esther Nauseds Werke durch zarte Verläufe und konstituierende Hell-Dunkel-Kontraste eine Tiefe, die Farbräume entstehen lässt. Durch geschickt gesetzte Linien erschafft die Künstlerin Horizonte und lenkt das Auge der Betrachtenden.

Nicht nur die Farbwahl und das Kompositionsschema sind minimalistisch gehalten, sondern auch die Wahl der Materialien. Esther Naused beschränkt sich beim Malen auf Tusche und Acrylfarben, die sie vorm Auftragen auf das Papier verwässert. Hierdurch erfahren die Schwarz-Weiß-Kontraste und die breite Palette aus Grautönen eine spannende Belebung. Breite und schmale Pinselschraffuren stehen gleichwertig neben monumentalen Flächen und sanften Lasierungen. Die Technik erfordert eine schnelle und präzise Arbeits-weise, da die Farben rasch trocknen und nachträgliche Korrekturen kaum möglich sind. Das Zusammenspiel von Erfahrung und Intuition ist es, was Esther Naused hierbei fasziniert:

„Die Bilder kommen auf unerklärliche Weise zu mir. Von dem Augenblick an übernehmen sie die Regie. Das Ganze ähnelt einem alchemistischen Prozess: man stellt die Zutaten und Gerätschaften zur Verfügung; wie aber die Quintessenz zustande kommt, weiß man oft selber nicht.“ (Esther Naused)

Wiederkehrende Gegensätze laden die Betrachtenden zum näheren Hinsehen und zum Verweilen vor den Arbeiten ein: die fließenden Farben und klar gegliederten Flächen, die Bewegung und die Ruhe, das Licht und die Schatten, die harten Kontraste und ihr zartes Changieren, das Spiel mit der Nähe und das Spiel mit der Distanz.


Sibylle Möndel

Bekannt erscheinen einem die Motive in Sibylle Möndels Arbeiten – schließlich sind es Ausschnitte aus der internationalen Presse, die durch ihr offsetähnliches Aussehen zusätzlich auf ihre Herkunft schließen lassen. Aus mehreren Bildebenen, die übereinander platziert werden, entsteht ein sich immer mehr verdichtendes Bilderdickicht, das die Betrachtenden in seinen Bann zieht und Erinnerungen aus dem persönlichen Bild-gedächtnis hervorzurufen vermag. Sowohl das Auge der Betrachtenden, als auch die Figuren in den Gemälden – mal Mensch, mal Tier – suchen sich den Weg durch das Unterholz oder den Großstadtdschungel und tauchen hierbei immer tiefer in die stimmungsvolle Atmosphäre der Werke ein.

Sibylle Möndels bevorzugte Techniken sind die Malerei und freie Zeichnung gepaart mit Siebdrucken, die teilweise aus verfremdeten Fotografien entstehen. Manchmal grundiert die Künstlerin ihre Leinwände, die nicht immer auf einen Keilrahmen aufgespannt sind, mit Asche. Auf monochrome Muster treffen farbige Akzente, Schichten, die wie Frottagen wirken, werden von sich wiederholenden Mustern und Strukturen überlagert, wodurch die Werke immens an Dreidimensionalität und Tiefe gewinnen. Der Farbauftrag variiert hierbei zwischen transparent und deckend und Konturen scheinen sich im Nebel aufzulösen.

Die Werke wirken wie verblasste Erinnerungsfragmente, verschwommene Traumbilder und Fotos aus alten Tagen, die in unserem Gedächtnis auftauchen. Vertraute Momente erwachen zum Leben – neue Details und Kompositionen wecken die Neugierde. Doch so romantisch manches Waldstück, so idyllisch das ein oder andere Haus und so friedlich ein einsames Tier auch wirken mögen: die Werke bilden Lebensräume ab, die nicht nur Sehnsucht wecken, sondern auch fragil und verletzlich sind. Die Anonymität der Großstadt, die Bedrohung der Natur und die Rückansichten von Personen, die sich weiter entfernen. Schnappschüsse, die zum Folgen animieren und die Betrachtenden mit in das Geschehen nehmen. In das Bekannte und in das Neuartige.


Bahaiden

Bahaidens farbenfrohen, großformatigen Bildern und deren Sogwirkung kann man sich nur schwer entziehen. Leuchtende Farbwolken, verspielte Details, versteckte Symbole und kraftvolle Formen machen seine Arbeiten aus. Was auf den ersten Blick wild und formenlos erscheinen mag, verschmilzt zu packenden Kompositionen, um graduell Kontur zu finden. Die Handschrift des Künstlers ist immer klar zu erkennen: durch Schraffuren und Einritzen der Farbe sowie durch Schriftzüge, die auf seine kurdische Herkunft hindeuten. Sowohl Worte, als auch Zeichnungen sind in seinen Bildern zu finden – zusammen mit den gewählten Farbschemen unterstützen sie ihn beim Ausdruck seines Gemütszustandes. Seine Bilder sind für ihn Worte in Farbe.

Beim Malen bedient sich Bahaiden verschiedener Techniken, die er in seinen Arbeiten genauso reizvoll mischt, wie seine Materialien. Diese verwendet er im Sinne von Farbcodes, die für Kulturen stehen können, Stimmungen ausdrücken sollen und Energie auf die Betrachtenden übergeben. Dunkle Partien treffen auf strahlende Flächen und werden von harmonischen Übergängen begleitet. Es scheint, als ob der Künstler einen Rhythmus abbildet, wenn man der Dynamik seiner kraftvollen Schwünge folgt. Er selbst sagt über seine Kunst:

„Bilder sind wie ein schöner Tag in Farben, seltenen Farben, ohne Zwänge, ohne Drang, ohne Autorität, einfach revolutionär.“ (Bahaiden)

Bahaidens Kunst scheint grenzenlos zu sein. Seine Leinwände wirken wie partielle Abbildungen eines größeren Ganzen; einer Energie, die sich im Raum befindet, und die es abzubilden gilt. Die sich nicht in ein Format pressen, sondern lediglich für einen Moment einfangen lässt. Der Charakter des Künstlers, sein Temperament und seine positive sowie nachdenkliche Haltung finden Ausdruck in seinen Werken, die nicht nur Darstellungen seiner Gefühle sind, sondern eine Feier des Lebens in all seiner Fülle.

Sabine Adler, M.A.
Kunsthistorikerin

Die Rede wird auch in der Ausstellung ausliegen.