Konsequenz und Entschlossenheit, das lassen die Werke von Markus F. Strieder
erkennen, zeichnen ihren Schöpfer in besonderer Weise aus. Zum einen, weil ihre Formung Energie und Willen verlangt, ergänzt um die Erfahrung, die jahrelanges, beharrliches Erproben und Entdecken schafft. Zum anderen, weil ihre Tiefe eine anhaltende und vorbehaltlose Beschäftigung mit dem Wesenskern menschlichen Daseins voraussetzt.
Ein solches Werk wäre kaum vorstellbar, hätte nicht schon der junge Student Markus F. Strieder die Weichen gestellt. Früh hat er das Potential in der Auseinandersetzung mit einem bestimmten Material, dem Metall, erkannt und sich
seiner großen Lebensaufgabe gestellt. Nachdem er in einer klassischen bildhauerischen Ausbildung in Tirol eine große Palette von Techniken – Schnitzen, Formen, Gießen usw. – erlernt und sich mit fast allen gängigen Materialien wie Holz, Stein, Keramik, Gips, Stuck etc. vertraut gemacht hatte, kam es bereits nach dem ersten Studienjahr an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart zum radikalen Schnitt und Neubeginn. Mit dem Schmieden von Stahl schlug er einen künstlerischen Weg ein, den nur wenige wählen, der deshalb aber seinem Bestreben gerade entgegenkam, sich von äußeren Einflüssen und Konventionen zu befreien und seine ganz eigene Kunst zu schaffen. In einer Zeit, in der die einen sich den neuen digitalen Medien zuwandten und andere im Gegenzug zur klassischen Malerei zurückkehrten, mutete er sich einen Stoff zu, der ungeheuer schwer und aufwändig zu handhaben ist und dazu noch von vielen als nicht zeitgemäß empfunden wurde.
Begleitet war die Entwicklung von Markus F. Strieder indessen stets von spezifischen Umständen, die seinen Weg überhaupt erst möglich machten. Mit seinen handwerklichen Fähigkeiten konnte er noch während des Studiums gut bezahlte Nebentätigkeiten ausüben und sich so die finanziellen Grundlagen für den Kauf von Stahl schaffen. Auch fiel ihm zur rechten Zeit das richtige Buch in die Hände,
ein 1971 in erster Auflage erschienenes Lehrbuch des Schmiedehandwerks1, mit dem er sich im Selbststudium seine besondere Technik aneignete. Zu den glücklichen Umständen gehörte auch, dass Gert Riel sein Lehrmeister an der Akademie war, der seine einsame Arbeit an der Esse nicht nur billigte, sondern unterstützte. Auch Jürgen Brodwolf, der es wie kaum ein anderer Akademieprofessor verstand, die Studenten in ihrer Individualität zu fördern, war ein wichtiger Mentor. „Strieder arbeitet mit dem Eisen gegen Zeit“, kommentierte er die Arbeit des jungen Studenten und brachte damit tief empfundene Anerkennung für die Tatsache zum Ausdruck, dass der von Strieder gewählte Weg Charaktersache sei.
Damals wie heute arbeitet Markus F. Strieder Tag für Tag wie ein Besessener und bringt in einem stetigen, phasenweisen Wechsel Zeichnungen und geschmiedete Werke hervor. Längere Phasen der gedanklichen Vorarbeit, in denen der Künstler mit dem Stift Überlegungen für Skulpturen skizziert bzw., wie er selbst sagt, „Formen träumt“, wechseln sich ab mit solchen des physischen Herstellungsprozesses in der Schmiede. Beide bilden einen starken Kontrast: Hier die Arbeit am Stahl mit ihren zeitlich eng getakteten Abläufen, die größtmögliche Aufmerksamkeit, schnelle Entscheidungen und ein eingespieltes Teamwork erfordern. Dort die Arbeit auf Papier in völliger Zurückgezogenheit, die ihm seine eigenen vier Wände in einer ehemaligen Seidenfabrik in der Nähe von Lyon bieten.
Äußerste Konzentration bei der Arbeit und vollkommene Geistesgegenwärtigkeit sind in beiden Sphären absolute Voraussetzung, denn sowohl die Arbeit mit Tusche und Pinsel als auch das Schmieden mit Metall erlaubt keine Korrektur im Nachhinein. Beides verlangt vom Künstler das Hineindenken in die Eigengesetzlichkeiten der Technik und den bedingungslosen Respekt vor dem Material. Sowohl mit dem Zeichnen als auch mit dem Schmieden geht er ganz zurück zum Ursprung der Dinge und betreibt sozusagen Grundlangenforschung. Die inhärenten Möglichkeiten werden minutiös erkundet, und das schon oder gerade noch Machbare wird bis an die Grenzen ausgelotet. Aus der selbstauferlegten Beschränkung in der Wahl von Technik und Material sowie der fortdauernden Beschäftigung mit diesen erwächst mit der Zeit ein ungeheurer Schatz an Erfahrung, und es erstaunt und überrascht, welch differenziertes Gestaltungsrepertoire bei gleichzeitiger Dichte des Ausdrucks mit dem elementaren Ausgangsmaterial möglich ist.
Kompromisslose Hingabe ist die Voraussetzung für Strieders einzigartige Entwicklung, nur sie ermöglicht neue Entdeckungen. Zufälle sind deshalb keine Begebenheiten aus dem Nichts, sondern Erkenntnisse, die sich offenbaren, wenn ihre Zeit gekommen ist. Deshalb geschah es auch mit gewisser Zwangsläufigkeit, dass ihm nach dem Umzug nach Frankreich eine Museumsdirektorin einen Versuchstag an einer Schmiede in der Gegend verschaffte. Der Inhaber brauchte die Qualität der Arbeit nur zu sehen, um zu verstehen, dass hier etwas entsteht, das „hinaus in die Welt“ muss. Zehn Jahre währte diese überaus produktive Zusammenarbeit, ehe Strieder nach einer größeren Schmiede Ausschau halten musste, die er schließlich im baden-württembergischen Pfinztal fand.
In der Stille und Abgeschiedenheit des Landlebens vollzieht er nicht nur die
gedankliche Vorarbeit für seine Skulpturen. Hier findet sich auch der Entstehungsort für die zeichnerische Arbeit, die neben den Werken aus Stahl einen eigenen, autonomen Strang in seinem Werk bildet. Die Zeichnungen mit Pinsel und Tusche auf Papier stehen in keiner direkten Verbindung mit den Skulpturen, doch manifestieren sich in ihnen parallele Prinzipien. Man findet hier nicht nur die Schattierungen von Schwarz- und Grautönen, die der Stahl aufweist, wenn seine Oberfläche so belassen wird, wie sie aus dem Feuer kommt. Hier besteht ebenso die Reduktion auf Elementares, die durch die Form des Pinsels und das Wiederholen ähnlicher Formen und Bewegungen mit jeweils kleinen Abwandlungen gegeben ist. Wie in der Skulptur arbeitet der Künstler auch beim Zeichnen in Serien an einem bestimmten Formthema, und wie dort lassen Abweichungen und Varianten deren gemeinsamen Charakter hervortreten. So wie die Skulpturen den dreidimensionalen Raum mit Energie aufladen, verwandeln auch die zeichnerischen Formsetzungen den weißen Papiergrund in ein Kraftfeld.
Jahrzehntelange Praxis macht sich in der Ruhe, Konzentration und bewusstem Einbeziehen von vorher nicht geplanten Verläufen bemerkbar, kleinen Spritzern und sogar dem Papierdurchbruch einer Papiercharge mit Fabrikationsfehler. An den Formrändern ergeben sich oft Farbstege oder Farbansammlungen, die an die Feuerspuren der Skulpturen erinnern. Frei mit dem Pinsel oder Rakel gezeichnet, schaffen sich geometrische Grundformen von Rechtecken, Polyedern, Kreisen, Dreiecken und Gitterstrukturen ihren Raum, mal kraftvoll dominierend, mal in diaphan durchscheinenden und sich über-
lagernden Schichten oder leicht und schwebend wie etwa in der neuen Serie von Formen mit harfenähnlichen Strukturen aus parallelen Linien in unterschiedlicher Stärke.
Wie der Stahl ist auch die Tusche bei der Formgebung flüssig und verlangt
rasches Handeln. In den Zeichnungen wie in den dreidimensionalen Werken praktiziert der Künstler das reine und unvoreingenommene Sehen. Auf das, was er sieht, reagiert er und lenkt in einer bestimmten Art und Weise die Form, er „denkt mit den Händen“, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Der Schaffensprozess ist wie ein Flow, in dem Sehen, Denken und Reagieren fast rauschhaft ineinanderfließen.
Das Geschehen der Formgebung kann sich nur um den Schaffenden selbst drehen, der voll und ganz in der Sache aufgeht. Er selbst ist Ausgangs- und Endpunkt, denn nur durch eigene Erfahrung, eigenes Sehen und eigenes Tun kann er im Schaffens- und Erkenntnisprozess weiterkommen. Im Werk manifestiert sich die Erfahrung eines einzigartigen Lebens, das trotz aller Verdichtung und Reduktion auf Wesentliches den Außenstehenden mit seiner spürbaren Präsenz ergreift und in seinen Bann zieht.
Schmieden ist nicht nur ein uraltes, vor rund 6.000 Jahren entwickeltes und bis heute in der industriellen Arbeitswelt verankertes Formgebungsverfahren, sondern auch eine sehr konkrete Auseinandersetzung mit der Materie. Ausgangspunkt ist immer ein Metallblock, dem im Prozess nichts hinzugefügt und auch nichts weggenommen wird, sondern der im Rahmen seiner innewohnenden Möglichkeiten umgeformt wird. Obgleich die hergestellten Werke schwer sind, drückt sich in ihrer Formung das Prinzip aus, dass alles in Bewegung ist und es sich bei ihnen um festgehaltene Momente der Umformung handelt. Das Verfahren selbst drückt die Haltung aus, dass der schöpferische Mensch Verantwortung für ein Ganzes trägt, denn Materie ist zwar wandelbar, doch in ihren transformierten Zuständen bleibt die Substanz immer erhalten. Strieder macht sich Gedanken über die Konsequenzen jeder noch so minutiösen Aktion und somit entspricht seine künstlerische Praxis einer strengen Ethik und ist – über das durchaus beispielgebende Zusammenwirken von Kunst und Arbeitswelt in der Schmiede hinaus –
bewusster Bestandteil des Zusammenwirkens verschiedener Kräfte im Leben auf unserem Planeten. So gesehen ist schon der erste Schritt im Entstehungsprozess eines Werks, die Wahl des Metallstücks, ein folgenschwerer. Dessen Größe, sein Gewicht, die Güteklasse des Stahls und die quaderförmige oder kubische Form sind bestimmend für seinen Werdegang im Laufe der Bearbeitung.
Strieder legt die Vorgaben fest und ist auch bei Herstellung und Zuschnitt
seiner Rohlinge persönlich in dem Stahlwerk im Bergischen Land zugegen. Wenn die Metallstücke dann ins baden-württembergische Pfinztal gebracht sind und für die eigentliche Arbeit alles vorbereitet ist, ist dem Künstler anzumerken, welche große Freude ihm das Zusammenwirken mit den Mitarbeitern der Schmiede macht. Unter der Einwirkung von enormer Hitze wandeln sich die Metallteile in glühende orangerote Leuchtkörper. Infernalischer Lärm, schweißtreibende Hitze und das Farbspiel von Feuer gehören zur Geburtsstunde geschmiedeter Werke. Ein malerischer Aspekt kommt zum Tragen, wenn die Objekte bei der Erhitzung verschiedene Farbstufen durchlaufen. Doch auch im erkalteten Zustand sind die roh belassenen Oberflächen in ihren vielen Grauschattierungen und Binnenstrukturen von subtiler und sinnlicher Qualität.
Die kurze Zeitspanne, in der das Werkstück in hocherhitztem glühendem Zustand ist, heißt es, mit voller Geistesgegenwart zu nutzen. Der Künstler dirigiert das eingespielte Team mit Handzeichen, wo und wie es mit Hilfe von hohem Druck und mit Schlagwucht bearbeitet wird. Was lange vorbereitet wurde, geht jetzt rasend schnell, und gleich mehrere Werkteile werden in Serie produziert. Für diese Momente in der Schmiede lebt Strieder, hier ist er ganz bei sich. Nicht nur die physikalische, sondern auch die geistige Energie des Schöpfungsaktes liegt in den Resultaten. Der in ihnen steckende Funke geht auch über auf den Betrachter, und wer gar den Prozess in der Schmiede miterleben durfte, identifiziert sich so mit dem Entstandenen, als hätte er einer Geburt beigewohnt. Da Strieder diesen Entstehungsakt als etwas Einmaliges und Bedeutendes mit den Freunden seiner Kunst teilen möchte, hat er ihn in einer Filmdokumentation festgehalten.
Ein Spektrum an Formen hat die künstlerische Entwicklung von Markus F. Strieder bislang hervorgebracht. Es begann zunächst damit, dass er Metallblöcke zu Polyedern transformierte, die in ihrer Einfachheit und Stringenz wie Bausteine einer unbekannten Zivilisation eines fremden Planeten wirkten. Mit dem Herstellen der archaischen Polyeder sammelte Strieder wichtige Erfahrungen, und so entwickelte er aus ihnen die komplexeren „Kristalle“. In den so genannten „Steinen“ ist die Geometrie in etwas Naturähnliches zurückgeführt. Auch in den später hinzukommenden „Landschaften“ drückt sich die Nähe zum Urgeschichtlichen aus. So ist die Bezeichnung „Chirat“ ein geologischer Name für Gesteinsformationen, wie sie sich im kargen Gletschergebiet ablagern. Die Beschäftigung mit Gesetzmäßigkeiten der Natur sowie das Arbeiten in Serien brachten einen wichtigen Schlüsselgedanken Markus F. Strieders hervor – das Modulare. In der Kultur beruht alles auf Grundbausteinen und in der Natur besteht alles Gewachsene aus Zellen (oder Fraktalen). Die Feststellung, dass Neues entsteht, wenn zu einem Grundelement ein zweites oder gar weitere (gleichartige) hinzukommen, ist so wesentlich, dass sie fortan Strieders Denken in Formen bestimmt. Mit dem Modularen eröffnet sich das Spiel der Zusammensetzung, der „Stein“ wird zum stapelbaren Modul, und es entstehen die charakteristischen Türme.
Strieders Arbeiten charakterisiert immer eine Polarität, eine Gegensätzlichkeit. Was schwer ist, hat doch eine gewisse Leichtigkeit, harte Flächen wirken optisch wie weiche Kissen, das Einfache ist bei Nahem betrachtet von großer Differenziertheit an der Oberfläche, das Statische vermittelt den Eindruck von Bewegung, Urtümliches weist in die Zukunft. Man kann also sagen, dass die paradoxale Spannung ein Grundzug von Strieders Werk ist. Besonders kommt dies in den Kreiseln zum Ausdruck, die er französisch „toupies“ betitelt und bereits in den unterschiedlichsten Größen hergestellt hat. Ob sie vertikal und wie schwebend auf der abgeflachten Spitze stehen oder schräg auf der Seite liegen, immer vermitteln sie das Gefühl von drehender oder seitlich rollender Bewegtheit. Die Brücke zur Kreiselform war der „Apfel“, für den er ebenfalls den zu bearbeitenden Quader unter dem Hammer um die Achse drehen ließ. In mühevoller Arbeit und unter Aufwendung hoher Kunstfertigkeit wird der Quader zunächst rund geformt, dann an beiden Seiten spitz. Hier passiert etwas sehr Wichtiges: zwei Teile der Form, Oben und Unten, treffen scheinbar zusammen. Das ist der Ursprung der Idee, dass zwei Elemente eine vollkommene Einheit bilden. Was passiert, wenn sich Oben und Unten treffen, ist eine Frage, die den Künstler nachhaltig beschäftigt. Und so ist es der Zwischenraum, der in seinem Fokus steht, als er für sich die Form der zweiteiligen Urzelle, der Monade, entdeckt. Mit „Monás“ (Monade) betitelt er die 13.000 kg schwere und 360 cm hohe Skulptur, die er als Sieger eines Wettbewerbs im Sommer 2016 in Tuttlingen im Areal des Neubaus des Hotels „Charly´s House“ installiert hat. Diese besteht aus Modulen, die aus je zwei Kuben bestehen, die nach dem Schmieden und noch während sie glühen aufeinander gesetzt worden sind und als sich gegenseitig ergänzende und zueinander passende Gegenstücke miteinander verwachsen und verschmolzen sind. Glut und Weichheit im Physikalischen tragen wie Liebe und Offenheit im übertragenen Sinn immer die Möglichkeit der Reaktion und Verwandlung in sich. Zwei Teile, die eine Einheit bilden, stellen ein Kraftzentrum dar, von dem eine Ausstrahlung ausgeht. Der Begriff Monás oder Monade kommt aus dem Altgriechischen, bedeutet vom Ursprung her „Einheit“ oder „Einfachheit“ und kommt in der Geschichte der Naturphilosophie von Euklid und den Pythagoreern in der Antike, über die Neuplatoniker und die Mystiker bis hin zu Leibniz im 17. Jh. vor [und Fichte!]. Wichtig ist die Bedeutung der Monás als Erzeugungsprinzip, das den Übergang vom Unteilbaren in etwas Anderes, Modulares bewirkt, dem ein Universum an Möglichkeiten, eine Vielheit in der Einheit innewohnt.
Wie bereits im Vorangehenden angedeutet, macht Strieders Art zu arbeiten klar, dass das Potenzial im Raum „dazwischen“ liegt. Sobald zwei Elemente sich nähern, passiert etwas, ein Agieren und Reagieren, Untereinander und Übereinander, Kraft- und Gegenkraftwirkung. Um die Zwischenräume geht es explizit auch bei den „Linien“. Diese stellen neben den geschmiedeten Werken und den Zeichnungen eine weitere große und bedeutende Werkgruppe dar. Sie entstehen nicht in der Schmiede, sondern im Walzwerk, und sind somit in ihrem Charakter völlig anders als die aus Kuben und Quadern geschmiedeten Objekte. Sie werden aus massiven Vierkant-Stahlstangen gebogen, die durch die Walze gepresst werden, damit sie ihren Querschnitt verändern. Noch glühend heiß werden sie zuletzt in eine eigens hierfür konstruierte Tonne gelassen, in deren Innerem sie sich biegen, winden und verknäulen, bevor sie zur Starre abkühlen und von feurigem Orangerot in kühles Grau übergehen. Die „Linien“ entstehen nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten und haben ihr Eigenleben. Wie ein archaischer Kampf mit dem Drachen wirkt der Entstehungsprozess, und nicht zufällig spricht Strieder im informellen Umgang liebevoll von seinen „Biestern“. Wenn der Künstler immer wieder betont, dass seine Objekte dazu dienen, „Räume in Orte zu verwandeln“, so trifft dies gerade auf seine „Linien“ explizit zu. Was die Zeichnung im Zweidimensionalen bewirkt, nämlich zwischen den Strichen Räume und Beziehungen zu schaffen, bewirken die „Linien“ im Dreidimensionalen, denn sie sind so etwas wie Zeichnungen im Raum, und mit jeder Veränderung ihrer Position bestimmen sie diesen neu. Die Linien, deren Entstehungsort nicht weit von Tuttlingen im Donautal liegt, beruhen in besonderem Maße auf den Prinzipien des Paradoxen, der scheinbaren Bewegtheit und der Offenheit, die das Werk Strieders leitmotivisch durchziehen.
Die Summe einer über drei Jahrzehnte reichenden Erfahrung mit dem Werkstoff Stahl steckt zwischenzeitlich in den Werken von Strieder. Einen Einblick in diese Erfahrung gibt er in seiner Ausstellung in der Galerie der Stadt Tuttlingen, die das Ergebnis einer intensiven Zwiesprache mit den örtlichen Gegebenheiten ist. Das Platzieren im Raum geschieht mit größtmöglicher Sorgfalt und gehört zum künstlerischen Prozess, der mit der Produktion eines Werkes längst nicht abgeschlossen ist. Da die Entstehungsgeschichte der Kunstwerke in der Schmiede im Pfinztal und im Walzwerk in Sigmaringendorf sowohl für den Künstler selbst als auch für den Rezipienten von großer Bedeutung ist, wird diese in den erstmals gezeigten Filmdokumentationen ebenfalls Bestandteil der Ausstellung (Schnitt: Christoph Skofic, Bild: Hans-Jörg Kappeller, Ton: Petra Garielli, Bregenz 2017).
Mit großer Dankbarkeit blicke ich auf die Zusammenarbeit mit Markus
F. Strieder, der keinerlei Mühe scheute, um die Ausstellung in Tuttlingen zu einem besonderen Ereignis werden zu lassen. Über die Präsentation seiner Werke hinaus sind mit großem Engagement des Künstlers die eben erwähnten Filmwerke entstanden, die zu zeigen wir uns sehr freuen.
Anna-Maria Ehrmann-Schindlbeck
Markus F. Strieder regards the practice of art as a possibility of probing the essence of human existence, of gathering experience and learning something new every day. An artist with this approach is best equipped to embrace and understand life as it is.
The consistency and resoluteness with which Strieder, already as a young student,
recognised the potential inherent in engaging with a particular material, metal, and undertook his great life’s work is quite astonishing. Having learnt a broad range of techniques during a classical sculpture training in Tyrol – carving, shaping, moulding, etc. – and having familiarised himself with almost all customary materials such as wood, stone, ceramics, plaster, stucco etc., he then made a radical break and a whole new beginning after his very first year of
studies at the Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. The new artistic path he took involved forging steel, which very few people chose and which therefore accommodated his striving to liberate himself from external influences and conventions and create his very own art. At a time when some were turning to the new digital media while others, by contrast, were returning to classical painting, Strieder had the courage to select a material that is incredibly heavy and complex to handle and, what is more, many regarded as being untimely.
Markus F. Strieder’s development has always been accompanied by specific circumstances that made his path possible in the first place. Thanks to his skills as a craftsman he was able to take on well paid jobs during his studies and so created the financial basis for buying steel. Moreover, he came upon the right book at the right time, a handbook on blacksmithing published in 1971. Through that book he was able to acquire his special technique. Included in these fortunate circumstances was the fact that he had Gert Riel as his teacher at the Academy. Riel not only approved of his solitary efforts at the forge, he also encouraged this. Another important mentor was Jürgen Brodwolf, who like few other Academy professors knew how to promote students’ individuality. “Strieder works with iron against time”, is how Brodwolf commented on the work of the young student, thereby expressing his deeply felt conviction that the path chosen by Strieder was also a question of character.
Then as now, Markus F. Strieder worked as if possessed, day after day, alternately producing drawings and forged works. Longer phases of mental preparation, when the artist sketches his ideas for sculpture, or as he says himself “dreams of forms”, alternate with phases in which he is involved in the physical production process in the forge. These two activities form a strong contrast: here, the work with steel with its time dependent procedures demanding the greatest possible attention, swift decisions and a team that works well together; there, the work on paper, in total isolation within his own four walls in a former silk manufactory near Lyon.
In both spheres, extreme concentration and total presence of mind are imperative, for both the work with ink and brush and the forging of metal allow no corrections at a later stage. Both demand of the artist that he immerse himself in the laws of the technique and have unconditional respect for the material. When drawing and forging, the artist returns to the origin of things and, as it were, carries out fundamental research. The inherent possibilities are explored in great detail, and what is already doable, or just about, is taken to its limits. Over time, an incredible treasure trove of experience has grown out of the self-imposed restriction to one technique and material and the continual preoccupation with them. And what astonishes and surprises us is the highly differentiated repertoire of forms that is possible with that initial elementary material, along with a condensation of expression.
Uncompromising dedication is the prerequisite for Strieder’s unique development as this is what enables new discoveries. For this reason, chance occurrences do not appear from out of nowhere, but are insights that reveal themselves when their time has come. And so there was a certain inevitability involved when, after his move to France, a museum director organised a trial day in a local forge for him. The owner only had to see the quality of the work to realize that something was emerging here that simply had to “go out into the world”. That altogether productive collaboration lasted ten years and then Strieder had to look for larger forge, which he finally found in Pfinztal in Baden-Württemberg.
Not only does the artist make the mental preparations for his sculptures in the peace and isolation of life in the country, he has also found there the place of origin of his drawings, which make up an autonomous area of artistic activity alongside his works in steel. The drawings with pen and ink on paper are not directly linked to the sculptures, but parallel principles are evident. They reveal not only the shades ranging from black to grey which steel also exhibits when its surface is left as it is when it emerges from the fire, but also the reduction to the elementary dictated by the shape of the brush and the repetition of similar forms and movements with the respective minor variations. As in his sculptures, in his drawings the artist also works in series on a certain formal theme, and like in the sculptures, digressions and variants enable their common character to emerge. Just as the sculptures charge three-dimensional space with energy, the drawn forms transform the white paper ground into a force field.
Decades of practical experience are evident in the artist’s serenity, concentration and deliberate inclusion of unplanned processes, tiny splashes and even holes in the paper from a batch with production flaws. Often blobs or accumulations of paint occur at the edges of the shapes, recalling the traces of fire on the sculptures. Drawn feely with brush or squeegee, basic geometrical forms such as rectangles, polyhedrons, circles, triangles and grids gain space for themselves, sometimes forcefully dominant, sometimes in superimposed diaphanous layers, or else light and hovering as in the new series of harp-like structures made up of parallel lines of different strengths. Ink, like steel, is also fluid when the form is being made and so demands swift action. In the drawings as in the three-dimensional works the artist engages in a process of pure and unbiased seeing. He responds to what he sees and in a certain way guides the form – he “thinks with his hands” so as to gain insight. The creative process is like a flow, in which seeing, thinking and responding merge in a kind of ecstacy.
The act of giving form can only revolve around the creative person himself, who is totally immersed in the action. He is the starting and end point, for only through his own experience, his own vision and action can he make progress in the process of creating and knowing. The work manifests the experience of a unique life, which despite all condensation and reduction to the essential captures and enthrals the outsider through its tangible presence.
Forging is not only an ancient form-giving process developed about 6,000 years ago and anchored to this day in the industrial world. It is also a very concrete engagement with matter. The point of departure is always a metal block to which, in the process, nothing is added and also nothing removed. Instead, it is reshaped in the framework of its inherent possibilities. Although the resulting works are heavy, their form expresses the principle that everything is in motion and that forms are moments captured in the reshaping. The procedure itself expresses the attitude that the creative person has responsibility for the whole, for although matter is malleable, its substance is always preserved in its transformed states. Strieder considers the consequences of each and every even tiny action, and therefore his artistic praxis corresponds to a strict ethics and is – above and beyond the exemplary interaction of art and working world in the forge – a conscious component of the interaction of different forces in life on our planet. In this light, the very first step in the genesis of a work, the choice of metal piece, is decisive. Its size, weight, quality and the cuboid or rectangular shape are crucial for how it develops in the course of being worked.
Strieder gives the specifications and is personally at hand during the production and cutting of his blanks in the steel works in the Ruhr district. When the pieces of metal are then brought to his studio in Pfinztal, Baden-Württemberg and everything is prepared for the actual work, it become clear what a great joy it is for the artist to work together with the colleagues in the forge. With the help of enormous heat, the metal parts are transformed into glowing reddish-orange bodies of light. Infernal noise, arduous sweat-inducing heat and the interplay of colours in the fire are part of the birth of forged works. A painterly aspect comes into effect when during heating the objects pass through different grades of colour. But in the cold solidified state too, the many shades of grey and the internal structures of the untreated surfaces have a subtle and sensual quality.
The brief time-span in which the piece is in a glowing state has to be exploited with complete presence of mind. The artist directs the tried-and-tested team with hand signs as to where and how it is to be worked with the help of great pressure and the force of the blow. What took a long time to prepare now happens very fast, and several work pieces are produced in series. Strieder lives for these moments in the forge. Here he is fully himself. Not just the physical but also the mental energy of the act of creativity is evident in the results. The spark inherent in them jumps over to the viewer, and anyone who is allowed to experience the process in the forge identifies with the result as if he had attended a birth. And because Strieder would like to share this act of genesis with the friends of his art as something unique and important, he has captured it in a documentary film.
Markus F. Strieder’s artistic development to date has produced a wide range of forms. He began by transforming metal blocks into polyhedral which in their simplicity and stringency seemed like building block in an unknown civilisation on an alien planet. Strieder collected valuable experience in producing these archaic polyhedral and then developed them into the more complex “Crystals”. In the so called “Stones” geometry is referred back to something nature-like. The later “Landscapes” also express the proximity to the primal. The designation “Chirat” is a geological name for stone formations deposited in barren glacier regions. His preoccupation with the laws of nature and his work in series gave rise to a key idea in Markus F. Strieder’s work – the modular. Everything in culture rests on basic elements and in nature everything grown consists of cells (or fractals). The realisation that the new emerges when a basic element is joined by a second or even more (similar) elements, was so essential that from then on, it determined Strieder’s mode of thinking in forms. The modular opens up the game of composites; the “Stone” becomes a stackable module, with the result that his characteristic towers were possible.
Strieder’s works are always characterised by a polarity, an opposition. What is heavy still has a certain lightness, hard planes look like soft cushions, on closer inspection the simple has considerable differentiation on the surface, and the static conveys the impression of motion. The primeval points to the future. One can therefore say that a basic feature of Strieder’s work is a paradoxical tension. This is expressed particularly in the gyroscopes or spinning tops which has produced in the most varied of sizes and to which he gives the French name of “toupies”. Be they vertical and standing as if hovering on the flattened point, or lying diagonally on their side, they always convey the feeling of rotation or a lateral rolling movement. The bridge to this spinning top form was the “apple” for which he also made the working square block rotate on its axis under the hammer. In a tedious working process and with great craftsmanship, the square is initially given a round shape, then pointed on both sides. At this stage, something very important happens: two parts of the form, top and bottom, seem to meet, and this is the origin of the idea that two elements form a complete unit. What happens when top and bottom meet is a question that preoccupies the artist constantly. So he focuses on the intermediary space when exploring the form of the two-part primal cell, the monad. “Monás” or monad is the name he gave to the 13,000 kilo heavy, 360 cm high sculpture he installed in Tuttlingen on the site of the new hotel building Charly’s House, as winner of a competition in summer 2016. It is made of modules each consisting of two cubes which, after forging and while still glowing hot, were placed one on top of the other and which grew and melted together as opposites that complement and suit one another. In the physical sense, glowing metal and softness, like love and openness in the metaphorical sense, always carry within them the possibility of reaction and transformation. Two parts forming a unit constitute a force centre that radiates. The term monas or monad is from the ancient Greek and originally means “unity” or “simplicity”.
It occurs in the history of natural philosophy from Euclid and the Pythagoreans in Antiquity, via the Neo-Platonists and Mystics, up to Leibniz in the 17th century (and Fichte!). The significance of the Monás as a principle of creative production is important as it brings about a transition from the inseparable to something else, something modular with an inherent universe of possibilities, a diversity in unity.
As already indicated, Strieder’s way of working highlights the fact that potential lies in space “in between”. As soon as two elements approach one another something happens between them and to them, an acting and reacting. Force action and counter-force action. The “Lines” are also explicitly about intermediate spaces. These Lines constitute a further large and important groups of works, alongside the forged works and the drawings. They come about not in the forge, but in the rolling mill and are thus totally different in character to the objects forged out of cubes and squares. They are shaped from massive square steel bars pressed through the mill so as to alter their cross section. Still glowing hot, they are finally put into a specially constructed drum inside which they bend, wind and tangle before cooling and becoming rigid, transitioning from a fiery reddish-orange to a cool grey. The “Lines” come about according to their own laws and have a life of their own. Their genesis is like an archaic struggle with a dragon, and it is no coincidence that in private Strieder speaks affectionately of his “beasts”. When the artist repeatedly emphasises that his objects serve “to transform spaces into places” then this applies explicitly to his “Lines”. What the drawing achieves in the two dimensional, namely creating spaces and relations between the lines, the “Lines” achieve in the three-dimensional, being something like drawings in space. And they determine that space anew with each change in their position. To a certain degree, the Lines, produced not far from Tuttlingen in the valley of the Danube, rest on the paradoxical principles that permeate Strieder’s work like a leitmotiv: apparent motion and openness.
The sum of more than three decades of rich experience with steel are meantime embedded in the works of Markus F. Strieder. His exhibition at the Galerie der Stadt Tuttlingen provides insight into that experience. It is the fruit of an intense dialogue with the local givens. Positioning a work in the exhibition space is given the greatest possible care and attention. It is part of the artist process, which is by no means finished with the production of a work. And as the genesis of the works in the forge in Pfinztal and in the steel mill in Sigmaringendorf are of such great importance, both for the artist himself and for the recipient, this is also part of the exhibition in the form of film documentations being shown here for the first time (Editor Christoph Skofic, image: Hans-Jörg Kappeler, sound: Petra Garielli, Bregenz 2017).
I am very grateful to Markus F. Strieder for his generous collaboration. He has put every possible effort into making the exhibition in Tuttlingen a very special event. Not only the presentation of his works here, but also the above-mentioned films were carried out with his full involvement and we are particularly delighted to be able to show those films during the exhibition.
Anna-Maria Ehrmann-Schindlbeck
Markus F. Strieder – MONÁS
Markus F.Strieder
1961 Geb. in Innsbruck (A)
1984-1990 Akademie der bildenden.Künste Stuttgart (D) /Studium der Bildhauerei
( Prof.Brodwolf)
1990 Akademiepreis
1994 Preis der Stiftung « Louise Hornung » /Lyon (F), für Zeichnung
1996 Stipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst-Wien
2001-2003 Kunsthochschule St.Etienne (F) /Vorträge und Leitung jährlicher Workshops
2003 « Le jaune de l’œuf »Kurator der franz-.österr.Ausstellung in St.Etienne + Innsbruck
2005 Professor ad interim, Kunsthochschule Grenoble (F)
2007 Kunsthochschule Lyon (F)/ Workshop für Skulpturen aus Stahl
2012 Helmut Baumann Preis/Kunsthalle Göppingen
Lebt und arbeitet in Rhône-Alpes (F) und BadenWürttemberg (D)
Als Bildhauer ist Markus Strieders bevorzugte Technik das Schmieden, ein nicht nur uraltes, vor rund 6.000 Jahren entwickeltes und bis heute in der industriellen Arbeitswelt verankertes Formgebungsverfahren, sondern auch eine sehr konkrete Auseinandersetzung mit der Materie. Ausgangspunkt ist immer ein Metallblock, dem im Prozess nichts hinzugefügt und auch nichts weggenommen wird, sondern der im Rahmen seiner innewohnenden Möglichkeiten umgeformt wird. (Textauszug Katalog: „Monas“ Städtische Galerie Tuttlingen 2018)